Die Route
Bericht
Nach einem guten Frühstück brechen wir vollgepackt in Warzenried auf. Es ist weniger sonnig, als wir es uns erhofft haben, aber das stellt sich noch als sehr gut heraus denn unsere Rucksäcke sind nicht gerade leicht und so müssen wir bei jedem Anstieg doch recht schuften. Generell glaube ich das ich schon wieder zu viel eingepackt habe und frage mich, wie viel ich wohl wieder nur spazieren schleppe, ohne es je zu brauchen.
In der ersten Wasserlandschaft sieht Sir Volker eine Schlange die vor meinen Stiefeln flüchtet. Sie und ich haben beide Glück und überleben das Zusammentreffen. Die erste Pause machen wir schon nach andertalb Stunden, einfach weil wir sie brauchten. Eindeutig ist der Grad meiner Verweichlichung zu erkennen. Ich tape bereits die Fersen da meine Stiefel doch nicht so gut eingelaufen sind wie ich dachte. Die unermüdliche Zira nutzt die Zeit um in der Sonne zu posieren, was ihr auch recht gut gelingt und so bekomme ich ein paar sehr schöne Bilder. Schon bald kommen wir an der tschechischen Grenze an und folgen ihr etliche Kilometer.
Zira bekommt an einem Stromzaun einen elektrischen Schlag und gibt eine ganze Zeit lang mir die Schuld dafür. Ich werde ängstlich angeschaut und Sie quiekt sogar, als ich einmal stolpere. Es dauert wirklich eine kleine Weile, bis Sie die Angst vor mir wieder vergisst, und so schwanke ich zwischen Mitleid für den in Ihren Augen unverdienten Schlag mit meinen mythischen Kräften, und dem Ärger darüber, dass ich zu Unrecht beschuldigt werde.
Bisher keine Spur von Atie.
Wir schlagen unser Lager neben einem kleinen Bach auf und merke beide erst zu spät das nicht allzu weit entfernt eine Straße verläuft. Beim Feuerholz sammeln bekommt Volker den Rat vorsichtig zu sein, da bald „sehr viele Jäger“ kommen würden! Sogleich bauen wir unser Lager zu einer Festung aus, und Zira kommt an die 5-Meter-Leine. Die Geschichte der kleinen und wirklich süßen Babymaus, und was Zira damit gemacht hat, spare ich mir hier mal. Auf jeden Fall hat Zira jede Menge Spaß und der Abend an unserem Lagerplatz wird ziemlich gemütlich.
Als wir uns, müde vom Tag und ängstlich wegen der potenziellen Jäger, in das Zelt verkrümeln stellt sich raus das der Plan zur Not zusammen mit dem Hund zu schlafen als recht gut machbar herausstellt. Ich hatte ja noch Zweifel wie eng das dann werden würde in unserem kleinen Zelt. Aber Zira quetscht sich ganz gut zwischen uns und so schlafe ich ziemlich gut da ich scheinbar die Gabe besitze mich um Steine drum-herumzulegen ;)
Am nächsten Morgen jedenfalls fühle ich mich beim Frühstück wie neu geboren. Der Mittelpunkt unserer Nahrung ist Pumpernickel, 4 große Salami und Honig, den man aus der Tube drücken kann. Insgesamt stellt sich das als ziemlich gute Wahl heraus. Weniger gut war die Entscheidung die chinesischen Trockennudelgerichte mitzunehmen die mich beim Einkaufen zu verlocken leicht angelacht haben. Die sind einfach nur widerwärtig und uns durchläuft immer der Schauer, wenn wir darüber nachdenken, was in den ganzen kleinen Tütchen voller Gewürzmischung wohl so drin sein könnte. Mein Magen grummelt auf jeden Fall seit der ersten Nudelsuppe vom Vortag ungemütlich vor sich hin. Für das nächste Mal ist im Hirn vermerkt das ganz normale Spaghetti mit Tomatensoße auch nicht so viel schwerer sind, jedoch aber verträglicher und auf jeden Fall deutlich nahr- und schmackhafter!
Nach einem gemütlichen Start in den Tag steigen wir den Lomnicky hoch. Es ist zwar eine Straße der wir folgen, allerdings erscheint sie uns doch irgendwie unwirklich da sie einfach nicht aufhören will nach oben zu klettern. Das liegt weniger daran das der Berg so riesig ist als vielmehr daran das wir einfach ziemlich tief unten in einem Tal waren. Das Wetter ist warm, wenn auch etwas bedeckt, und auch wenn wir natürlich nach Sonne schreien sind wir ziemlich froh das es nicht wärmer ist. Wieder einmal zeigt sich das wenn man mit 25 Kg Gepäck auf dem Rücken einen Berg empor rennt, es beinahe nicht zu kalt sein kann. Unser Ziel heute ist der Cerné jezero, der schwarze See, doch bis dahin sind wir noch etliche Stunden unterwegs. Im Böhmerwald ist so etwas wie Trinkwasser teilweise schon so etwas wie ein Problem. Verwöhnt von den Wanderungen in Schottland, wo es reichlich frisches und trinkbares Wasser in den Highlands gibt, suchen wir hier öfter schon mal nach einem Flusslauf, der an einem möglichst hohen Berg entspringt. Aber heute haben wir Glück, denn wir entdecken kleine und wirklich malerische Quelle, an der wir eiskaltes und wunderbar schmeckendes Wasser tanken können.
Der Weg zum schwarzen See zieht sich noch etwas und unterwegs kommen verlaufen wir uns tatsächlich einmal weil ein Schild auf das wir stoßen falsch herum aufgestellt ist. Das so etwas passiert können wir zuerst gar nicht glauben. Das wäre ja wie in einem Comic. Also suchen wir den Fehler zuerst bei uns, zweifeln an unserer großartigen Gabe Karten zu lesen und beschließen das von nun an die Sonne im Westen aufgeht und im Osten unter. Mit dieser neuen Festlegung der Weltordnung rennen wir ein wenig in die falsche Richtung bis wir wieder auf ein Schild stoßen, das erneut andersrum zeigt. Wir entschließen und doch nicht unserer Wut freien Lauf zu lassen (und alle Schilder von hier bis an die Ostseeküste umzudrehen, nur damit wir recht hatten!) und erneut umzudrehen. Am schwarzen See kommen wir erst relativ spät an, aber die unglaublichen Ausblicke zwischendrin entschädigen doch sehr für alles.
Dort angekommen ist wirklich sehr schön. In dem geheimnisvollen, bis zu 40 Meter tiefen See sollen angeblich Geheimdokumente der Nazis versteckt gewesen sein, wir können jedoch nichts finden und beschließen daher nahe des Sees unser Lager aufzuschlagen. Der See wird an 2 Seiten von hohen Felsen und Klippen umringt, und wir versuchen so hoch wir möglich zu kommen mit unserem Lager. Einen direkten Blick auf den See bekommen wir zwar nicht, aber da wir auch noch ein kleines Feuer machen wollen ist das wohl auch besser so damit wir nicht gesehen werden falls doch mal jemand durch diesen einsamen Landstrich kommt.
Mein Magen fängt so langsam an wirklich zu nerven und ich verfluche diese widerlichen chinesischen Suppen – kurz bevor es die Nächste gibt. Da ich mich immer häufiger in die Büsche schlagen muss und mein Bauch anfängt sehr unangenehm zu drücken beschließe ich keine weitere dieser Suppen zu essen.
Bisher immer noch keine Spur von Atie – so langsam werden wir misstrauisch.
Abends werden wir noch von einer Meute kleiner und wirklich unangenehmer Fliegen angegriffen. Ich erkenne diese Sorte wieder: es sind die kleinen Biester die in den spanischen Pyrenäen auch schon nach meinem Leben trachteten! Ich kenne daher die beiden einzigen Verteidigungsmethoden: Man kann sich entweder bis Sonnenuntergang verstecken, denn dann verschwinden sie von selbst, oder aber man kann Spaghetti essen, dann stürzen sich diese keinen viertelmillimeter kleinen Ungeheuer auf die heißen Nudeln, nur um dort sofort zu sterben und einen Strang Spaghetti aussehen zu lassen wie einen wochenlang an der Decke hängenden Fliegenfänger. Wir haben aber keine Nudeln (außer die chinesischen, und das wäre chemische Kriegführung), also ist verkriechen angesagt. So ein kleines Nickerchen tut aber auch sehr gut, und obwohl wir merken, dass unser Zelt recht abschüssig aufgebaut ist, ändern wir nichts daran, da wir einfach zu müde sind und der Boden auf dem Hang einfach nicht viel hergibt.
Abends gibt es ein gemütliches Feuer mit alten Lagerfeuerliedern wie "Dough und Carry". Auch kullinarisch lassen wir es uns mit Schokolade gut gehen, auch um mal wieder auf ein gewohntes Zuckerniveau zu kommen, und ein kleines bisschen Rotwein. Rotwein? Ja wir haben Rotwein mitgenommen. Eine sehr kleine Flasche zwar, aber eine aus schwerem Glas. Obwohl der Wein auch nicht der schlechteste Cianti war ist es trotzdem erstaunlich wie verdammt gut er doch nach den Strapatzen des Tages schmeckt.
Der nächste Morgen ist nicht nur entspannt, denn eine Nacht lang schief zu liegen ist nicht so als ob man nur auf einer Erbse schlafen würde. Aber die müden Körper haben sich geholt was nötig war und so fühlen wir uns doch wieder recht gut. Mein Magen ist jedoch deutlich weniger entspannt und es fängt so langsam an zu nerven.
Wir entschliessen und einen lockeren sightseeing Tag zu machen damit wir und der Hund etwas Energie tanken können. Ein echter Pausentag erscheint uns nämlich doch etwas übertrieben. Und so können wir uns in der Naturschutzzone Bílá Strž einen wundervollen Wasserfall beobachten und finden sogar in der Nähe sauber anmutendes Trinkwasser. Ein Schild auf unserem Weg zeigt uns das wir durchaus heute noch den großen und kleinen Osser besteigen können, einen der höchsten Berge der Region mit seinen zwei Gipfeln. Der Aufstieg zum Osser ist nicht gerade ein Kinderspiel, doch wir haben Zeit und das Wetter gönnt einem zwischendurch immer mal wieder atemberaubende Ausblicke über den böhmischen Wald in Richtung Tschechien.
Oben angekommen entdecken wir nicht nur eine Wirtschaft, sondern auch eine stattliche Zahl von Menschen die dort ihr Unwesen treiben. Wir sind entsetzt - wollten wir doch sämtliche Menschen meiden! Andersrum riecht es nach deftiger bayrischer Kochkunst und Schilder mit Osser-Bier locken. Da können wir einfach nicht wiederstehen und lassen es uns eine Stunde lang mit Leberkäse und Radler gut gehen. Die beiden Gipfel des Osser sind nur etwa einen Kilometer voneinander entfernt, und nach dem Essen sollte das ja eigentlich die leichteste Übung sein, doch nun will mein Magen gar nicht mehr. Der Leberkäse war wohl der Tropfen der das Fass zum überlaufen gebracht hat. Ich fühle mich ziemlich Elend und bekomme leichte Kreislaufprobleme. Auf den letzten paar Metern vor dem kleinen Gipfel mache ich schlapp und brauche erst mal eine Pause. Sir Volker, der mit in epischen Beschreibungen die atemberaubenden Bilder aufzeigt die ich alle dort oben verpasst habe entgeht knapp einer Enthauptung ;)
Beim weiter gehen zeigt sich schnell: ich kann nicht mehr. Mein Magen krampft und will auch nichts wirklich bei sich behalten. Das gute dabei ist das man recht schnell nichts mehr in sich hat was den Bauch stören sollte. Das schlechte jedoch das das ganze ziemlich viel Kraft kostet. Nach langem winden ringen wir uns durch den Rückweg anzugehen. Wir schauen auf die Karte und halten es für machbar am frühen Abend wieder in Warzenried anzukommen. Wir wissen zu der Zeit noch nicht das wir uns wohl leicht verschätzt haben und unser lockerer sightseeing-Tag sich damit zu einem Material- und Fleisch-schindenden Tag voller Schmerzen verwandelt hat.
Zuerst merken wir davon jedoch nicht viel. Wir wandern ziemlich stur der deutsch-tschechischen Grenze entlang und die Schönheit der Natur lässt die Kilometer nur so unter unseren Stiefeln dahinfliegen. Das ändert sich erst als wir durch dichten Wald, neben einem Fluß, knapp 1000 Höhenmeter bergab gehen müssen. Runter gehen kann einen auf dauern genau so dahin raffen wie Berge rauf steigen, und langsam merken wir das die Stunden des Tages dahinfliessen wie das Wasser neben uns, meine Kräfte jedoch auch gleich dem Wasser abhauen. Die gute Nachricht ist das mein Magen mitlerweile vollkommen leer ist und sich etwas entspannt hat.
Unten angekommen, und wieder auf der deutschen Seite der Granze, fühlen wir uns wie Sieger, bis wir einige Kilometer später merken wie langsam sich die Strasse unter unseren Füßen dahinquält. Es wird mehr und mehr offensichtlich das unser Ziel noch im hellen anzukommen ziemlich sportlich wird. Ich mache mir leichte Sorgen um Zira, doch die bleibt ohne jammern und schleichen die ganze Zeit dicht neben uns! Wir hingegen fangen an so manchen Bergen durchaus das schleichen an, und deswegen entledigen wir uns erst mal all der Gegenstände die unnütz geworden sind. Vor allem die restlichen schweren Nahrungsmittel entpuppen sich als echte Bremsen und ich bin froh das Volker die Idee hatte sie abzustoßen.
In Warzenried kommen wir spät an, viel später als gedacht. Es müsste so etwa 23 Uhr gewesen sein. Wir sind ziemlich am Ende und nur noch der Wille mit diesem ruhmreichen Tag angeben zu können hält uns auf den Beinen. Als wir am Auto sind ist auch Zira am Ende. Jede noch so kleine Pause in der man nicht in Bewegung bleibt nutzt sie um sich hinzulegen und direkt einzuschlafen. Sie immer wieder zu wecken ist natürlich nicht gut und daher sehe ich zu das Sie immer in Bewegung bleibt. Ich habe sie noch nie so müde gesehen und sorge als erstes dafür das Zira schnellstmöglich auf die Rückbank im Auto kommt und wirklich in den Tiefschlaf fallen kann.
Wir sind auch müde, uns steht jedoch noch eine 6-7 Stunden Autofahrt bevor um wieder ins gemütliche Rheinland zu kommen.
Ein weiteres Fazit ist das Wandern mit Zira noch mehr Spaß macht als ohne. Ich habe ihre Kraft völlig unterschätzt, denn sie hielt die ganze Zeit prima mit und das obwohl man nicht sagen kann das sie ihren Rucksack wirklich gewohnt gewesen wäre.
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